4. Kapitel
Tod

Dieses Thema hat sich im Laufe der letzten Monate für mich zu einem wahren Tummelplatz der poetischen Leidenschaften entwickelt. Kaum ein Stoff fasziniert mich derzeit mehr als der Tod. Wie ist es, wenn man sich auf der Schwelle befindet? Gibt es eine andere Seite? Und wenn JA, wie ist es dann dort drüben?
Es kann sein, dass ich das Thema „Tod“ und „Sterben“ auf Grund mehrere, kurz aufeinander folgender Enttäuschungen favorisiere, jedoch gehört für mich der Tod genau so zum Leben, wie die Geburt. Für viele Menschen ist dieses Thema unangenehm und sie versuchen ihm aus dem Wege zu gehen. Und doch finde ich, gerade deswegen, sollte man sich mit dem Tod beschäftigen. Er kommt, das ist unausweichlich, also ist es sicher nicht verkehrt, wenn ich mich auf ihn vorbereiten kann. Ich schrieb schon in den vorangegangenen Kapiteln, das dieses Buch nichts für depressive Menschen ist. Sollte sich, wider Erwarten, doch noch jemand bis hierher durchgearbeitet haben, so sollte er nun dieses Büchlein schließen und sich seinem Tagewerk zuwenden. Es ist sicher nicht für jeden so leicht mit dieser Problematik umzugehen wie für mich.  

Tod
Rerei im März 2001

Ich hatte einmal Angst vor dir.
Ich hoffte, du kämst nie zu mir.
Ich zitterte, dacht ich an dich.
Warst gnadenlos und fürchterlich.
Doch würdest du jetzt vor mir stehen,
dann würd' ich furchtlos mit dir gehen.
Hab alles um mich her zerschlagen,
was übrig war aus guten Tagen.
Ich werd gehasst und auch verachtet,
obwohl mein Herz nach Wärme schmachtet.
Bin gebrannt als böser Mann,
weil ich Schlimmes hab getan.
Die Zeit zurückdreh'n kann ich nicht.
Das ist das Furchtbarste für mich.
Du bist es nicht mehr, tut mir leid.
Sie frisst mich auf, die schlimme Zeit.
Um mich herum, der dunkle Ort.
Komm her und hol mich ganz schnell fort!



Die Straße
Rerei im Mai 2003

Soweit dein Auge blicken kann,
erstreckt sich lang ihr schwarzes Band.
Da stehst du nun, du „starker Mann“,
hast Angst vorm Marsch ins weite Land.
Die Straße vor dir, kerzengrad‘.
Sie scheint dich in das „Nichts“ zu führen.
Blickst in die Ferne, in der Tat,
kein Ziel für dich ist aufzuspüren.
Du stehst, vom Lebensmut verlassen,
auf nassem Asphalt, bist allein.
Wünscht dir, dich würde jemand fassen.
So grausam kann das Leben sein.
Und du machst den ersten Schritt.
Drehst dich ein letztes Mal noch um.
Auf diesem Weg kommt niemand mit.
Ins „Nichts“ zu laufen, ist auch dumm.
Und trotzdem gehst du diesen Weg,
denn du hast keine andre Wahl.
Zurück zu geh’n hat keinen Zweck
Es wär’ noch eine größ’re Qual



Letzter Ausweg
Rerei im Mai 2003

Alle Hoffnung, die mal Dein,
ist gänzlich nun zu Staub zerfallen.
In des Höllenfeuers Schein
spiegeln sich die Teufelskrallen.
Sie bohr’n sich zentimetertief
in deine nackte, weiße Haut.
Bis Blut aus deinem Körper trieft,
das Auge starr und leblos schaut.
Du suchst die Erinnerung.
„Was ist mit mir? Wie komm‘ ich her?“
Du brachtest dich ganz einfach um.
Du hattest keinen Ausweg mehr..



Aufgabe
Rerei im März 2001

Wo sich der Nebel nun verzieht
und man das ganze Chaos sieht,
wird mir mit einem Male klar,
dass das nun wohl mein Leben war.
Nichts ist mehr übrig. Hab kein Ziel.
Das alles ist für mich zuviel.
Lass mich treiben. Geb mich auf.
Nehm sogar den Tod in Kauf.
Denn das, was mich erwartet nun,
hat mit dem Leben nichts zu tun.
Nichts, wofür es sich noch lohnt,
dass man seinen Körper schont.
Mich umbring'n darf ich leider nicht,
weil meiner Eltern Herz dann bricht.
Doch kann den Tod ich lang schon sehn.
Ich hoff nur, es wird ganz schnell gehen.
Denn für ein Leben voller Leid,
hab ich nunmal keine Zeit.



Wann?
Rerei im Mai 2003

Wann werd’ ich keinen Schmerz mehr spür’n?
Nicht mehr am heißen Ofen frier’n?
Wann bleibt die Sonne morgens weg?
Verliert das Dasein seinen Zweck?
Wann wird die Stille mich umgeben?
Wann muss ich nicht mehr einsam leben?
Wann ist mein Kopf von Sorgen frei?
Wann endlich ist’s mit mir vorbei?

Ruf mich, und ich bin zur Stelle…
…und folge dir über die Schwelle.



Angst
Rerei im März 2001

Für jeden Menschen kommt einmal
der Tag, wo er zum letzten Mal
das Licht um ihn herum kann sehn
und dann muss er leise geh'n.
Und wohl am schlimmsten ist es dann,
wenn er zu keinem "Tschüss" sag'n kann.
Schon der Gedanke ist gemein,
schläft er dann ganz einsam ein.
Wenn keine Seele um ihn trauert,
keiner seinen Tod bedauert.
Ich habe Angst, das nach dem Mist,
mein Ende ganz genauso ist...



Ende
Rerei im März 2001

Eine unsichtbare Schlinge
legt sich um meinen Hals herum.
Eine messerscharfe Klinge
bringt mich lautlos langsam um.
Kann nicht mehr atmen, nicht mehr essen.
Auch meinen Schlaf kann ich vergessen.
Meine Augen tun mir weh,
weil ich vor Tränen nichts mehr seh.
Fühl nur noch Schmerz und Scham und Pein.
Ich denk, das wird das Ende sein.



Finsternis
Rerei im Mai 2003

Man sieht sie nicht, doch ist sie da.
Man kann die Eiseskälte spür’n.
Der Blick, der einst so fest und klar,
kann nur noch starr ins Leere stier’n.
Die Finsternis hält dich gefangen
und du kommst nicht mehr von ihr los.
Wo einst noch Liebesglocken klangen,
steht nur ein Grabstein voller Moos.
Was von der Hoffnung übrig war,
hast kraftlos du zu Grab’ getragen.
Nun trauerst du, du dummer Narr,
und lässt den Kummer an dir nagen.
Pfleg’ es gut, dein finster Grab!
Lass vom Dunkel dich besiegen!
Denn irgendwann, da kommt der Tag,
da wirst du auch noch in ihm liegen.



Feuer
Rerei im Mai 2003

Um dich herum, ein Flammenmeer,
brennt langsam deine Seele aus.
Du siehst vor Glut dich selbst nicht mehr.
Verkriechst dich in dein Schneckenhaus.
Dein Herz ist fast schon weggebrannt.
Dein Hirn schon explodiert.
Schmerz, wie du ihn nie gekannt,
hat dich zum Wahnsinn fast geführt.
Was du anfasst, wird zu Asche.
Trümmerhaufen, weit und breit.
Du suchst den Trost in deiner Flasche.
Doch hilft dir das nur kurze Zeit.
Denn kippt man Alkohol ins Feuer,
lodert es erst richtig auf.
Und alles, was dir lieb und teuer,
erstickt erbarmungslos im Rauch.



Trauer
Rerei im März 2001

Wenn dein Lebensmut erloschen,
alle Phrasen abgedroschen,
die Hoffnung auf den Nullpunkt sinkt,
dein Gewissen mit dir ringt,
die Zukunft immer dunkler wird,
das letzte bisschen Liebe stirbt,
im Kopf nur noch das Chaos sitzt,
das Herz vor Qual nur Blut verspritzt,
du vor dem großem Abgrund stehst,
und immer weiter vorwärts gehst,
wenn die Sonne nicht mehr lacht,
wenn Freude keine Freude macht,
wenn du den Anschluss hast verpasst,
weißt du, was du verloren hast.



Die andere Seite
Rerei im Mai 2003

Leider kann mir niemand sagen,
wie die andre Seite ist.
Und doch denk’ ich in diesen Tagen,
wo das Schicksal mich vergisst:
Wie mag die andre Seite sein?
Ist’s dort auch so schlimm wie hier?
Bin ich dort drüben auch allein?
Oder ist dort wer bei mir?
Vielleicht werd’ ich schon bald versteh’n.
Vielleicht ist es schon an der Zeit?
Vielleicht darf ich bald rüber geh’n.
Ach wär es doch nur schon soweit.



Wenn das Blut kocht
Rerei im Mai 2003

Du fühlst das unheimliche Brennen.
Das Blut in deinen Adern dampft.
Du möchtest gegen Mauern rennen,
spürst, wie sich dein Herz verkrampft.
Wut und Angst beherrschen dich.
Du suchst verzweifelt nach dem Sinn.
Warum trifft es immer dich?
Und warum dann auch noch so schlimm?
Und die, die dich zu kennen glauben,
sind zu schwach, dich zu versteh’n.
Es droht dir den Verstand zu rauben,
weil alle nur das Eine seh’n.
Ein Typ, der immer froh und heiter,
obwohl das Schicksal ihn zerfrisst.
Und das Blut kocht in dir weiter,
bis es ganz verschwunden ist.



Blutendes Herz
Rerei im Mai 2003

Das Herz, das einst so kraftvoll schlug,
ist übersät von kleinen Rissen.
Weil es den Schmerz nicht mehr ertrug,
hat es zu schlagen aufhör’n müssen.
Und aus den Spalten sickert zäh
dickes, schwarzes Blut heraus.
Ein Klumpen Fleisch, es tut schon weh.
Nur noch ein übler Geier – Schmaus.
Das Herz, das einst so kraftvoll schlug,
nun elendich zu Grunde geht.
Man hört es nicht … nicht laut genug,
wie dieses Herz um Gnade fleht.



Stumme Schreie
Rerei im Mai 2003

Die Augen blicken tränenschwer.
Die Angst ist nicht zu übersehen.
Hoffnung, Zukunft gibt’s nicht mehr.
Und doch sieht man das starke Flehen.
Langsam öffnet sich der Mund,
doch der laute Schrei bleibt aus.
Er ist im Keim bereits verstummt
Und findet nicht den Weg hinaus.
„Ich will nicht mehr!“ wollte ich schrei'n.
„Hoffentlich ist’s bald vorbei!“
Ich seh' mich um ... ich bin allein.
Und niemand hört den stummen Schrei.



Tränen
Rerei im Mai 2003

Mancher schämt sich ihretwegen.
Für manch’ andren ist’s ein Segen.
Sie befreien, sie tun gut.
Sie lindern Trauer, dämpfen Wut.
Sie schmecken salzig wie das Meer,
und ihr Quell wird niemals leer.
Wenn man im Gram jedoch versinkt,
besteht Gefahr, dass man ertrinkt.
Wenn jemand ständig traurig ist,
und alles Glück um sich vermisst,
spürt er nur noch Salz im Mund.
Herz und Seele sind dann wund.
Dann wird es schwer, ihn aufzubauen.
Ihm fehlt der Mut, stolz aufzuschauen.
Lass meine Tränen nun versiegen,
und gib mir meinen Seelenfrieden!



Vergleiche
Rerei im März 2001

Im Radio läuft grad ein Bericht.
Wir hören, was der Mann da spricht.
Da wurde wieder Blut vergossen.
Ein Mann hat seine Frau erschossen.
Weil sie ihn verlassen wollte.
Weil nichts mehr war, wie's sein sollte.
Sie sieht mich an. Sie wird doch nicht?
Doch! Sie tut's. Sie schaut und spricht:
Weist du, was ich gerade tu?
Ich trau dasselbe dir jetzt zu!

Und während sie den Mund zumacht,
hat sie mich damit umgebracht.

Ende des vierten Kapitels...